Personalarbeit in skill-basierten Unternehmen
Die Arbeitswelt durchläuft eine Phase tiefgreifender Veränderungen, die durch technologische Innovationen, Globalisierung und sich schnell wandelnde Marktbedingungen geprägt ist. Diese Dynamik stellt Unternehmen vor enorme Herausforderungen, insbesondere wenn es darum geht, zeitnah das notwendige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten in der Belegschaft aufzubauen. Traditionelle Ansätze der Personalentwicklung und -rekrutierung reichen oft nicht mehr aus, um mit diesem Wandel Schritt zu halten. In diesem Artikel wird das Konzept des "skill-basierten Unternehmens" als eine vielversprechende Lösung für diese Herausforderungen vorgestellt und diskutiert.
Der schnelle Wandel in der Arbeitswelt
Die Arbeitswelt verändert sich in einem atemberaubenden Tempo. Digitale Transformation, künstliche Intelligenz und Automatisierung führen zu neuen Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeiter. Unternehmen sehen sich mit einem Fachkräftemangel konfrontiert und haben zunehmend Schwierigkeiten, interne personelle Ressourcen mit den sich schnell ändernden Markt- und Kundenanforderungen in Einklang zu bringen. Diese Dynamik erfordert flexible und agile Ansätze in der Personalarbeit, um sicherzustellen, dass die Belegschaft über die notwendigen Kompetenzen verfügt.
In diesem Kontext wird deutlich, dass traditionelle Organisationsmodelle, die auf starren Jobrollen und Hierarchien basieren, oft nicht mehr ausreichend sind. Stattdessen gewinnen flexible und anpassungsfähige Strukturen an Bedeutung, die es Unternehmen ermöglichen, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Mitarbeiter optimal einzusetzen.
Das skill-basierte Unternehmen als Lösung
Ein skill-basiertes Unternehmen ist ein Organisationsmodell, das sich auf die Entwicklung und Nutzung spezifischer Fähigkeiten (Skills) konzentriert, anstatt auf traditionelle Jobrollen und Hierarchien. Im Gegensatz zu kompetenzbasierten Ansätzen, die breiter gefasste Fähigkeiten und Verhaltensweisen betonen, liegt der Fokus hier auf granularen, spezifischen und erlernbaren Fähigkeiten, die für Aufgaben, Projekte oder Wertschöpfung benötigt werden.
Definition und Abgrenzung
In einem skill-basierten Unternehmen werden Mitarbeiter nicht primär nach ihrer Jobrolle, sondern nach ihren Fähigkeiten und ihrem Potenzial für bestimmte Aufgaben oder Projekte bewertet und eingesetzt. Dies ermöglicht eine flexiblere und agilere Organisation der Arbeit, die sich schnell an Veränderungen anpassen kann. Skill-basierte Unternehmen nutzen zentrale Skills Hubs und KI-gestützte Tools, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erfassen, zu verwalten und mit den Anforderungen von Aufgaben und Projekten abzugleichen.
Josh Bersin, ein renommierter Analyst im Bereich Human Resources, betont die Bedeutung von "Capability Academies" als zentrale Elemente in modernen Unternehmen. Diese Akademien sind darauf ausgerichtet, kontinuierliches Lernen und die Entwicklung spezifischer Fähigkeiten zu fördern. Sie bieten strukturierte Lernpfade und Ressourcen, die es Mitarbeitern ermöglichen, ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu erweitern und an die sich ändernden Anforderungen anzupassen. Capability Academies sind somit ein wichtiger Baustein für die Umsetzung eines skill-basierten Ansatzes in Unternehmen.
Wichtigste Vorteile eines skill-basierten Unternehmens
Die Umstellung auf ein skill-basiertes Unternehmen bietet zahlreiche Vorteile, die sowohl für die Organisation als auch für die Mitarbeiter von Bedeutung sind:
1. Agilität und Flexibilität: Skill-basierte Unternehmen können sich schnell an Marktveränderungen anpassen und Talente dorthin lenken, wo sie gebraucht werden. Diese Flexibilität ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt.
2. Effizienz: Durch den Fokus auf spezifische Fähigkeiten wird die Effizienz der Arbeit erhöht, da die richtigen Personen für die richtigen Aufgaben eingesetzt werden. Dies führt zu einer besseren Nutzung der Ressourcen und einer Steigerung der Produktivität.
3. Innovation: Die Förderung kontinuierlichen Lernens und die flexible Einsatzmöglichkeit von Talenten fördern Innovation und Kreativität. Mitarbeiter, die ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln, sind eher in der Lage, neue Ideen und Lösungen zu entwickeln.
4. Mitarbeiterzufriedenheit: Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln und in verschiedenen Projekten und Aufgabenbereichen zu arbeiten. Dies erhöht die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter, da sie ihre Karriere aktiv gestalten und ihre Interessen und Stärken einbringen können.
Unternehmensbeispiele
Einige Unternehmen haben bereits begonnen, sich als skill-basierte Organisationen aufzustellen und zeigen damit, wie dieser Ansatz in der Praxis funktionieren kann. Beispiele hierfür sind:
Deloitte: Deloitte hat ein Modell für skill-basierte Organisationen entwickelt, das einen zentralen Skills Hub und die Abkehr von jobzentrierten Logiken vorsieht. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, Talente flexibel einzusetzen und schnell auf Veränderungen zu reagieren (Abgerufen von https://www.deloitte.com/de/de/services/consulting/research/skill-basierte-organisation.html)
IBM: IBM setzt auf KI-gestützte Tools zur Verwaltung und Entwicklung von Fähigkeiten, um die Agilität und Anpassungsfähigkeit der Belegschaft zu erhöhen. Durch den Einsatz von KI können Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten schnell und effizient identifiziert und eingesetzt werden. (Abgerufen von https://www.hr-analytics-trends.com/blog/ibm-ai-hr-transforming-human-resources-with-artificial-intelligence)
Diese Beispiele zeigen, dass die Umstellung auf ein skill-basiertes Unternehmen nicht nur theoretisch sinnvoll ist, sondern auch in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann.
Wichtigste Strukturelemente und Prozesse
Damit der skill-basierte HR-Ansatz im Unternehmen funktionieren kann, sind folgende Strukturelemente und Prozesse entscheidend:
1. Skills Hub: Eine zentrale Plattform zur Verwaltung und Erfassung der Fähigkeiten der Mitarbeiter. Der Skills Hub dient als zentrale Anlaufstelle für alle Informationen zu den Fähigkeiten der Mitarbeiter und ermöglicht eine transparente Übersicht über die vorhandenen Kompetenzen.
2. Skill-Taxonomien: Klare Definitionen und Kategorisierungen von Fähigkeiten, um eine gemeinsame Sprache zu schaffen. Skill-Taxonomien helfen dabei, eine einheitliche Terminologie zu etablieren und die Fähigkeiten der Mitarbeiter strukturiert zu erfassen.
3. KI-gestütztes Matching: Einsatz von KI, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter mit den Anforderungen von Aufgaben und Projekten abzugleichen. KI-gestützte Tools können dabei helfen, die besten Übereinstimmungen zu identifizieren und die Mitarbeiter optimal einzusetzen.
4. Kontinuierliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten: Angebot von Schulungen, Workshops und anderen Lernformaten, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter kontinuierlich zu entwickeln. Dies umfasst sowohl formelle Schulungsprogramme als auch informelle Lernmöglichkeiten wie Mentoring und Coaching.
5. Flexible Arbeitsstrukturen: Abkehr von starren Jobrollen und Hierarchien hin zu flexiblen Arbeitsstrukturen, die auf Aufgaben und Projekte ausgerichtet sind. Flexible Arbeitsstrukturen ermöglichen es, die Mitarbeiter dort einzusetzen, wo ihre Fähigkeiten am besten genutzt werden können.
Schritte zur Transformation zu einem skill-basierten Unternehmen
Die Umstellung von einem traditionellen Unternehmen zu einem skill-basierten Unternehmen erfordert eine strategische Planung und Umsetzung. Hier sind die wichtigsten Schritte, die Unternehmen auf diesem Weg beachten sollten:
1. Bedarfsanalyse: Identifikation der aktuellen und zukünftigen Skill-Anforderungen der Organisation. Eine gründliche Bedarfsanalyse ist der erste Schritt, um zu verstehen, welche Fähigkeiten für die Erreichung der Unternehmensziele erforderlich sind.
2. Skills Hub einrichten: Implementierung einer zentralen Plattform zur Verwaltung der Fähigkeiten der Mitarbeiter. Der Skills Hub sollte alle relevanten Informationen zu den Fähigkeiten der Mitarbeiter erfassen und eine transparente Übersicht bieten.
3. Skill-Taxonomien entwickeln: Erstellung klarer Definitionen und Kategorisierungen von Fähigkeiten. Skill-Taxonomien helfen dabei, eine gemeinsame Sprache zu schaffen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter strukturiert zu erfassen.
4. KI-gestützte Tools einführen: Einsatz von KI zur Unterstützung des Matchings von Fähigkeiten und Aufgaben. KI-gestützte Tools können dabei helfen, die besten Übereinstimmungen zu identifizieren und die Mitarbeiter optimal einzusetzen.
5. Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen: Angebot von Schulungen und Weiterbildungsprogrammen zur kontinuierlichen Entwicklung der Fähigkeiten. Dies umfasst sowohl formelle Schulungsprogramme als auch informelle Lernmöglichkeiten wie „Learning in the Flow of Work“, Teamlernen, Mentoring und Coaching.
6. Flexible Arbeitsstrukturen einführen: Abkehr von starren Jobrollen und Hierarchien hin zu flexiblen Arbeitsstrukturen. Flexible Arbeitsstrukturen ermöglichen es, die Mitarbeiter dort einzusetzen, wo ihre Fähigkeiten am besten genutzt werden können.
7. Kultur des kontinuierlichen Lernens fördern: Schaffung einer Unternehmenskultur, die kontinuierliches Lernen und Entwicklung unterstützt. Eine Kultur des kontinuierlichen Lernens ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln und an die sich ändernden Anforderungen anpassen.
Veränderungen im Bildungssystem
Um für eine skill-basierte Wirtschaft fit zu sein, muss sich auch das Bildungssystem in Deutschland verändern. Hier sind einige notwendige Anpassungen, die dazu beitragen können, die notwendigen Fähigkeiten für eine skill-basierte Wirtschaft zu vermitteln:
1. Fokus auf Kompetenzentwicklung: Stärkere Ausrichtung auf die Entwicklung praktischer und anwendbarer Fähigkeiten. Das Bildungssystem sollte nicht nur theoretisches Wissen vermitteln, sondern auch praktische Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt benötigt werden.
2. Individuelle Lernpfade: Ermöglichung individueller Lernpfade, die auf die Stärken und Interessen der Lernenden zugeschnitten sind. Individuelle Lernpfade ermöglichen es den Lernenden, ihre Ausbildung an ihre individuellen Ziele und Bedürfnisse anzupassen.
3. Lebenslanges Lernen: Förderung der Bedeutung des lebenslangen Lernens und Angebot von Möglichkeiten zur kontinuierlichen Weiterbildung. Lebenslanges Lernen ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln und an die sich ändernden Anforderungen anpassen.
4. Technologieintegration: Sicherstellung, dass alle Lernenden digitale Kompetenzen erwerben und Zugang zu modernen Lerntechnologien haben. Digitale Kompetenzen sind in der modernen Arbeitswelt unerlässlich und sollten daher ein zentraler Bestandteil des Bildungssystems sein.
5. Zusammenarbeit mit Unternehmen: Enge Zusammenarbeit mit Unternehmen, um Praktika, Ausbildungsprogramme und gemeinsame Projekte zu fördern. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen ermöglicht es den Lernenden, praktische Erfahrungen zu sammeln und sich mit den Anforderungen der Arbeitswelt vertraut zu machen.
Zusammenfassung
Skill-basierte Unternehmen bieten eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen des schnellen Wandels in der Arbeitswelt. Durch den Fokus auf spezifische Fähigkeiten und die flexible Einsatzmöglichkeit von Talenten können Unternehmen agiler, effizienter und innovativer werden. Die Umstellung auf ein skill-basiertes Unternehmen erfordert eine strategische Planung und Umsetzung, einschließlich der Einführung eines Skills Hub, der Entwicklung von Skill-Taxonomien und der Förderung einer Kultur des kontinuierlichen Lernens. Auch das Bildungssystem muss sich anpassen, um die notwendigen Fähigkeiten für eine skill-basierte Wirtschaft zu vermitteln.
Quellenverzeichnis
1. Bersin, J. (2023). The Capability Academy: Where Corporate Training Is Going. Abgerufen von https://joshbersin.com/2019/10/the-capability-academy-where-corporate-training-is-going/
2. Deloitte. (2025). Die Skill-basierte Organisation. Abgerufen von https://www.deloitte.com/de/de/services/consulting/research/skill-basierte-organisation.html
3. EdYoucated. (2025). Was zeichnet skill-basierte Organisationen aus? Abgerufen von https://edyoucated.org/glossar/skill-basierte-organisation
4. FTI Consulting. (2025). Skills-basierte Organisationen: Erfolgsfaktor Kultur. Abgerufen von https://www.fticonsulting.com/de-de/france/insights/articles/skills-based-organizations-success-depends-culture
5. Haufe. (2024). Skill Management heißt Fähigkeiten identifizieren, einsetzen und entwickeln. Abgerufen von https://www.haufe.de/personal/neues-lernen/alles-zu-skill-management-in-unternehmen_589614_631528.html
6. Projekt0708. (2024). Fähigkeiten statt Jobs: Die Transformation zur Skill-basierten Organisation. Abgerufen von https://www.projekt0708.com/info-center/hr-it-talk-podcast/faehigkeiten-statt-jobs-die-transformation-zur-skill-basierten-organisation
7. Sage. (2024). Fähigkeiten statt Jobs: Die Skill-basierte Organisation als Zukunft der strategischen Personalplanung. Abgerufen von https://www.sage.com/de-de/blog/faehigkeiten-statt-jobs-die-skillbasierte-organisation-als-zukunft-der-strategischen-personalplanung/
8. Studytube. (2024). Was ist Skill-basiertes Lernen? Abgerufen von https://www.studytube.com/de/blog/was-ist-skill-basiertes-lernen
9. 360Learning. (2025). Skill-basiertes Lernen: 5 Schritte zur erfolgreichen Umstellung. Abgerufen vonhttps://360learning.com/de/blog/skill-basiertes-lernen/
Autor: Dr. Walter Lieberei, Mai 2025